Andi hat mich auf ein Video aufmerksam gemacht, das im Internet viel angeschaut wird: "Zeitgeist." In der erste halbe Stunde geht's hauptsächlich um die Ähnlichkeiten zwischen Jesus und andere religiöse Gestalten, mit der implizite Aussage: Jesus gab's wahrscheinlich nicht und die Evangelien sind etwa wie Hans und Gretl zu lesen.
Nun drängt die Zeit - ich habe viel zu viele Baustellen um hier eine längere Antwort auszuarbeiten. Doch möchte ich eine kurze Stellungnahme liefern - nicht weil das Video ein hochwissenschaftlicher Angriff auf den Glauben ist (es ist vermutlich ein New-Age Remix aus den 60er oder 70er - schon wieder "the age of aquarius" - ich dachte es wäre mit den Schlaghosen vorbei!), sondern einfach weil es viel angeschaut wird und Menschen verunsichert. Also ein paar vereinfachte, vorläufige, tastende Anmerkungen in Form eine fiktive Fragerunde mit dem Regisseur des Films:
Zeitgeist sagt etwa: Überall in der Welt, sind Religionen von ihrer Umwelt bestimmt worden.
Kommentar: Ja wohl. Siehe Peter Antes Buch als kleine Einführung. Religiöse Elemente sind in eine sehr wesentlichen Sinn von ihrer Umwelt abhängig. Die Verehrung der Sonne hat z.B. bei den Inuit wenig Bedeutung gehabt, das Polarlicht dagegen spielte eine größere Rolle. Da Menschen aber doch in der Regel sehr viele gemeinsame Erfahrungen machen (Licht und Finsternis, Sonne und Sterne, Tod und Geburt), gibt es in allen Religionen gemeinsame Züge.
Zeitgeist: Christentum ist genauso von seiner Umwelt bestimmt.
Kommentar: Ja, keine Frage. Aber stell dir mal vor wie es wäre, wenn das nicht der Fall wäre. Wenn jemand von England eine Botschaft an Nomaden in der Sahara weitergeben würde: "Ich bin der große Regenschirm", dann würde es wenig Sinn ergeben. Die Botschaft muss an den Sachen in einer Kultur anknüpfen, die schon vorhanden sind. Insofern sind die Schriften der Bibel total von ihrer Umwelt bestimmt. Sie müssen so sein, wenn sie überhaupt Sinn ergeben sollen.
Zeitgeist: Die Evangelien knüpfen an viele alte Helden Geschichten an.
Kommentar: Ja wohl. Besonders die, aus dem alten Testament. "Ich bin der gute Hirte" ist nicht bloß ein Vergleich mit der Welt der Agrikultur. Da steckt eine riesen Tradition dahinter (for example: Hesekiel 34!). Es ist gerade das spannende an der Exegese, dass Jesus in den Evangelien ständig mit Gestalten aus dem Alten Testament verglichen wird: Adam, Mose, Israel als Ganzes in der Wüste, David, Elia und Elisha...
Zeitgeist: Ich meinte hauptsächlich die Ägyptischen und viele andere in der Welt...
Kommentar: Ja ich weiß... aber dies ist wiederum eine Folge meines früheren Punkts. Das alte Testament ist genauso von seiner Umwelt bestimmt - sowohl von der Ägyptischen Reich als auch von dem babylonischen und vielleicht in den späteren Schriften von den Perser. Dies muss es aber sein, wenn die Botschaft überhaupt Sinn ergeben soll. Sonst ist es wiederum wie der Engländer mit seinem Regenschirm in der Sahara.
Zeitgeist: aber jeder Kultur hat doch sein Rettergestalt - Jesus ist nur noch einer.
Kommentar: Dass viele Kulturen ein Rettergestalt haben, ist wiederum Folge unsere gemeinsame Erfahrung als Menschen. Wir sind Gemeinschaftswesen, abhängig voneinander. Gruppen brauchen eine gemeinsame Ausrichtung und dies setzt immer eine Form von Leitung und Führung voraus. Jeder Stamm hat wahrscheinlich Erfahrungen gemacht mit ihrem eigenen George Bush und haben auch schon mal auf ihren Barack Obama sehnsüchtig gewartet. Die Evangelien und das Neue Testament bezeugen Jesus als der in der jüdischen Tradition schon ersehnte Retter, der aber auch die Ansprüche der Nicht-jüdischen Herrscher (der römische Kaiser) überbietet.
Zeitgeist: Aber guck mal den Sonnengott Horus aus Ägypten an, tausende Jahre vor Christus - er war genau so wie Jesus in den Evangelien. Menschen haben's nur abgeschrieben, weil sie geheime Sonnenanbeter waren.
Kommentar: Bis hierher habe ich dich folgen können - du hast sogar manche interessante Sachen gesagt - nun aber wird's echt ein bisschen weird. Du hast ein skuriles Beispiel aus der Religionsgeschichte herausgepickt, der manche ähnliche Züge hat wie "er wurde genannt Sohn Gottes, Licht der Welt, es war von Sterben und Auferstehung die Rede, und er hatte 12 Jünger."
Erstens sind viele von diesen Beispielen der Ähnlichkeit ganz einfach aus der Religionswissenschaft zu verstehen. Es wäre eine größere Herausforderung, eine Religion zu finden, die nichts über Licht, Sterben und Neugeburt sagt. Komm - nenne mir eine!
Zweitens haben die Tradition um Horus und die Merkmale Jesu keine historische Verbindung. Aus allen ägyptischen Sonnengottgeschichten, hast du eine ausgewählt, wo der Hauptfigur auch 12 "Jünger" hatte. Das ist reine assoziative Arbeit. Horus 12 Männer sind sicher symbolisch zu verstehen (aus der 12 Zeichen der Zodiac wenn du meinst, du kannst es belegen). Genauso Jesu Jünger - er hat 12 Männer ausgewählt, aber mitnichten wollte er ein Sonnenkalender nachahmen. Er wohnte ganz und gar in der jüdische Tradition, die alle Schöpfungsverehrung verbot, und wollte die Tradition der 12 Stämme Israels wieder aufgreifen und neu definieren.
Du hast den Hintergrund der Evangelien grundsätzlich verkannt und hast insofern rein assoziativ und leider total unhistorisch gearbeitet. Der Hintergrund der Evangelien ist nämlich jüdisch - und wenn du dieses Hintergrund als primitive "Viehhändler- und Zuhältergeschichten" (Dr. Krause, NSDAP) verachtest, dann hast du Probleme, denn auf diese alte, ja primitive Hintergrund ist die Hoffnung auf ein Messias gewachsen und tradiert worden, und an diesen Hintergrund knüpfte Jesus an.
Ähnlichkeiten mit anderen Kulturen muss es geben - ein Jungfrauengeburt Jesu, ohne Traditionen von Jungfrauengeburten in entweder Altem Testament, "frühjüdische Schriften" oder umliegenden Kulturen, wurde wenig Sinn ergeben - es wäre schon wieder ein Regenschirm in der Sahara. Aber es heißt nicht, dass es nicht mal passiert sein kann.
Der Unterschied zwischen einen Sonnenverehrer-Schrift und die Evangelien könnte nicht größer sein! Dass Jesus "Licht der Welt" ist, ist ein Metapher! Welche Sonnenverehrer-Schrift bemüht sich mit historischen Angaben wie dieser?:
"In dieser Zeit befahl Kaiser Augustus, alle Bewohner des römischen Reiches in Listen einzutragen... Sie wurde durchgeführt, als Quirinius Statthalter in Syrien war."
Das neue Testament ist auf jüdischen Hintergrund und als Zeugnis von einer wirklichen, historischen Person zu verstehen. Alles anderes ist, historisch gesehen, großer Schweizer Käse.
Thursday, October 23, 2008
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